Als Teilnehmer des Bischöflichen Seminars durfte ich am 26. April 2025 ein ganz besonderes Ereignis miterleben: die große ökumenische Ostervesper in Wien unter dem Motto „gemeinsam glauben – gemeinsam feiern“.
Ein historischer Moment
Was für ein außergewöhnlicher Tag das war! Zum ersten Mal seit langem feierten alle christlichen Konfessionen am selben Datum Ostern – ein seltenes Geschenk, das nur alle paar Jahre eintritt. Noch dazu im Jahr des 1700-jährigen Jubiläums des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa. Als wir uns am 26. Aprilzum Seminar in Wien getroffen haben, spürten wir bereits die Bedeutung dieses Moments.
Begegnung in St. Salvator
Meine Reise begann um 15:30 Uhr in unserer altkatholischen Pfarrkirche St. Salvator in der Wipplingerstraße. Es war bewegend zu sehen, wie Gläubige verschiedener Konfessionen unsere kleine, aber bedeutungsvolle Kirche besuchten. Im Rahmen der ökumenischen Begegnungen, die gleichzeitig in vier Innenstadtkirchen stattfanden, öffneten wir unsere Türen weit – nicht nur räumlich, sondern vor allem spirituell.

Die Atmosphäre war geprägt von echter Neugier und Respekt. Menschen, die sonst vielleicht nie den Fuß in eine altkatholische Kirche gesetzt hätten, stellten interessierte Fragen über unsere Traditionen und unseren Glauben. Besonders berührte mich ein orthodoxer Gläubiger, der sich für die Besonderheiten unserer Liturgie interessierte. In solchen Momenten wird die verbindende Kraft des Glaubens spürbar.
Der Sternmarsch zum Dom
Nach den intensiven Gesprächen und dem gemeinsamen Gebet in St. Salvator machten wir uns auf den symbolträchtigen „Osterweg“ zum Stephansdom. Dieser Sternmarsch von vier verschiedenen Kirchen zum Herzen Wiens war mehr als nur ein Gang durch die Innenstadt – er war ein lebendiges Zeichen der Einheit. Menschen aller Konfessionen, vereint in ihrem Glauben an die Auferstehung Christi, strömten durch die historischen Gassen der Wiener Altstadt.
Vesper im Stephansdom – Ein Chor der Einheit
Um 16:30 Uhr betrat ich den ehrwürdigen Stephansdom, und was ich dort erlebte, wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Unsere altkatholische Bischöfin stand gemeinsam mit Vertretern aller großen christlichen Konfessionen am Altar. Der Apostolische Administrator der Erzdiözese Wien, Josef Grünwidl, die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler, der armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan – sie alle waren vereint in diesem einen Gottesdienst.
Als kurz zuvor auserkorener Lektor hatte ich das Privileg, im Namen der altkatholischen Kirche, die Lesung zu halten. Besonders bewegend war der Moment, als das Vater Unser auf Aramäisch – der Sprache Jesu – gebetet wurde. In diesem Augenblick verschwanden alle konfessionellen Unterschiede, und wir waren einfach Christen, die gemeinsam zu ihrem Herrn beteten.

Die Vesper war ein wunderbares Zusammenspiel östlicher und westlicher Kirchentraditionen. Die orthodoxen AbendHymnen verschmolzen harmonisch mit den vertrauten Psalmen, die ich aus unserer altkatholischen Liturgie kenne. Diese liturgische Vielfalt war keine Verwirrung, sondern eine Bereicherung – ein Vorgeschmack auf die Einheit, die wir alle ersehnen.
Eine Predigt der Hoffnung
Administrator Grünwidls Predigt ging vielen nahe. Seine Worte über die „ökumenische Dreifaltigkeitsformel“ des verstorbenen Papstes Franziskus – „Miteinander gehen, miteinander beten, miteinander arbeiten“ – trafen den Kern dessen, was wir an diesem Tag erlebten. Als er sagte: „Wir sind noch nicht am Ziel. Aber wir schauen nicht zurück, sondern wir strecken uns aus nach dem, was vor uns liegt“, spürte ich die Wahrheit dieser Worte in meinem Herzen.
Seine Mahnung, dass die Einheit der Kirche „nicht in erster Linie ein organisatorisches, strukturelles Problem, sondern zuerst eine Frage des Glaubens und des Gebets“ sei, erinnerte mich daran, warum ich mich für die ökumenische Bewegung engagiere. Es geht nicht um Institutionen, sondern um Menschen, die gemeinsam Christus nachfolgen wollen.
Agape – Gemeinschaft leben
Nach der Vesper folgten wir der Einladung zur gemeinsamen Agape. Bei Brot und Wein – den Grundelementen unseres Glaubens – entstanden wunderbare Gespräche. Ich tauschte mich mit den serbisch-orthodoxen über die Bedeutung der Tradition aus, diskutierte mit einer methodistischen Pastorin über soziale Gerechtigkeit und lernte von Vertretern der Heilsarmee deren diakonisches Engagement kennen.
Diese informellen Gespräche waren wahrscheinlich genauso wertvoll wie die feierliche Liturgie zuvor. Hier wurde deutlich, dass wir trotz unterschiedlicher Riten und Strukturen von denselben Fragen bewegt werden, dieselben Sorgen teilen und dieselbe Hoffnung haben.
Reflexion eines besonderen Tages
Als ich am Abend nach Hause fuhr, dachte ich über diesen außergewöhnlichen Tag nach. In einer Zeit, in der – wie Administrator Grünwidl treffend bemerkte – „die Grundbotschaft des christlichen Glaubens für viele Menschen keine oder kaum mehr Bedeutung hat“, war diese Vesper ein kraftvolles Zeichen der Hoffnung.
Wir haben gezeigt, dass Einheit möglich ist, ohne die Vielfalt zu verlieren. Wir haben bewiesen, dass verschiedene christliche Traditionen sich nicht ausschließen, sondern bereichern können. Und wir haben erlebt, dass das Gebet tatsächlich verbindet – über alle konfessionellen Grenzen hinweg.
Ein Auftrag für die Zukunft
Diese ökumenische Ostervesper war kein Selbstzweck, sondern ein Auftrag. Sie hat mir als Lektor und Seminarist gezeigt, wie wichtig es ist, die Botschaft des Evangeliums gemeinsam zu verkünden. In einer zunehmend säkularisierten Welt können wir es uns nicht leisten, getrennt zu gehen. Wir müssen „miteinander gehen, miteinander beten, miteinander arbeiten“.
Das Nizänische Glaubensbekenntnis, das vor 1700 Jahren formuliert wurde, verbindet uns noch heute. Es ist unser gemeinsamer Schatz, unsere gemeinsame Grundlage, unser gemeinsamer Auftrag. Die Auferstehung Christi, die wir an diesem besonderen Tag gefeiert haben, ist nicht nur ein historisches Ereignis, sondern eine lebendige Realität, die uns immer wieder neu zusammenführt.
Wenn ich an die vielen Gesichter denke, die ich an diesem Tag sehen durfte – orthodox und katholisch, evangelisch und altkatholisch, methodistisch und baptistisch –, dann bin ich voller Dankbarkeit und Hoffnung. Dankbarkeit für das Erlebte und Hoffnung auf eine Zukunft, in der solche Tage nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind.
Die ökumenische Ostervesper 2025 im Wiener Stephansdom war mehr als ein Gottesdienst. Sie war ein Zeichen der Auferstehung – nicht nur Christi, sondern auch der Einheit seiner Kirche. Möge dieser Tag Frucht bringen für die Ökumene in Österreich und darüber hinaus.
Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden! Und in dieser Wahrheit sind wir alle eins.